Kaethe Loup

Texte

 

Rede von Sebastian Ybbs anlässlich der Ergebnispräsentation des Projektes >ZWEI<in der Produzentengalerie Artikel 5, Aachen, 07.07.2019    
Sebastian Ybbs ist ein in Belgien lebender deutscher Schriftsteller und Künstler. Seine Kreativität nährt sich nicht alleine aus der Literatur. Die Tätigkeit in der bildenden Kunst und die Erfahrungen aus seinen politischen Aktivitäten geben ihm ebenso wichtige Impulse wie die intensive Auseinandersetzung mit progressiven musikalischen Kompositionen. Durch die gegenseitige Befruchtung all dieser Metiers entstehen seine sehr eigenständigen Schriften.

Die vielbeschriebene Angst eines Schriftstellers vor dem weißen Blatt Papier kann ich nicht teilen. Das mag passieren wenn man unter Zugzwang steht, man an alten Erfolgen anknüpfen will oder der Verlag, bei dem man unter Vertrag steht, Druck macht. Der Widerspruch liegt darin, dass die Kunst frei sein will, sie muss auch frei sein, die Freiheit ist ihre Quelle.

 

Die leere Leinwand ruft Dir entgegen: alles ist möglich, alles ist erlaubt.

Der glücklichste Moment eines Künstlers ist weder der Ruhm, den er erntet, noch der pekuniäre Erlös, der glücklichste Moment ist der, in dem er findet und erfindet.

Käthe Loup hat entschieden, uns an diesem glücklichen Prozess teilhaben zu lassen. Auch wenn das schon einige Künstler gemacht haben, ist das eine mutige Entscheidung, - das will ich wie folgt erläutern:
Ein freier Künstler arbeitet aus sich heraus, ein Kunstwerk ist niemals ein demokratisches Prozess (es sei denn, das Mitwirken des Publikums ist Teil des Konzeptes) ansonsten bringt ein Künstler etwas zur Sprache, was unbenannt und oft auch unbekannt, also unbewusst in ihm tobt.
In der Novelle Jonas oder Der Künstler bei der Arbeit hat Albert Camus im letzten Satz eine wichtige Fragestellung des Schaffensprozesses eines Künstlers auf den Punkt gebracht: solitaire ou solidaire. alleine oder gemeinschaftlich.
Ein öffentliches Arbeiten ist für einen Künstler dann möglich, wenn er dieses einsame aus sich heraus Arbeiten viel erprobt hat und mit Ideen, Intuitionen und dem Vertrauen darauf, wie man sich selbst in der Kunst erfahren hat, sein Potential entfalten kann.

Und was geschieht mit dem Publikum?
Wir können, indem wir teilhaben, zuordnen, was uns ansonsten verborgen bleibt: Wir können Schaffensprozesse benennen, kennen die Umstände, den Ort, die Zeit, können sogar das Wetter benennen, unter dessen Umstände die Künstlerin gearbeitet hat.


Warum spielt das eine Rolle? Ein Künstler arbeitet nicht alleine aus seinem vitalen Fundus heraus. Das Entstehen eines Werkes ist ein empfindlicher Prozess, kleine Einflüsse können darüber entscheiden, ob das Werk bloß annehmbar wird, oder ganz exzellent.
Käthe Loup hat also nicht in ihrem Atelier ausgewählt, was sie uns präsentieren will, sie ist das Risiko eingegangen uns etwas vorzuführen, was am Ende womöglich nicht ihren eigenen Erwartungen entspricht.
Ein Urteil heute, zur Präsentation der Arbeiten, bleibt jedem selbst überlassen – wichtig aber ist, dass wir hier vor zwei Werken stehen, die in der Biographie von Käthe Loup, die in der Vergangenheit schon mit besonderen Werken in Erscheinung getreten ist, durch diesen öffentlichen Prozess einen Entwicklungsabschnitt markieren.


Während zwei Wochen hat Käthe Loup Schicht um Schicht auf die Leinwände aufgetragen. Jetzt stehen wir vor der Tiefe dieser Zeit; - das ist keine rein abstrakte Vorstellung, wir können diese Tiefe tatsächlich von den Bildern ablesen. Käthe Loup hat Flächen, Linien, Strukturen, Farben zusammenspielen lassen und damit eine Illusion erschaffen, die - so viele Worte ich auch sagen werde - wir mit Vernunft nicht erfassen können. Es schwimmt, es schwebt, es spiegelt, wir erahnen Konkretes das sich nicht zeigen will. Die Farben suggerieren, - wir können nicht benennen, wo sie uns in dieser Art begegnet sind, doch sie erinnern uns, vielleicht an Wahrnehmungen, die uns bisher noch nie bewusst geworden sind.
Vor unserem Auge fügen sich die Elemente zusammen und im gleichen Augenblick, in dem wir einordnen wollen, springen sie wieder auseinander und formen sich zu etwas Neuem.
Ohne ihre besondere Sensibilität, mit der Käthe Loup sich den Bildern gewidmet hat, könnte das Werk kaum in dieser Art berühren. Als Betrachter spüren wir, dass diese Bilder nicht beliebig sind, dass sie sich dieser Arbeit ganz hingegeben hat.


In diesem kleinen Raum, sind nicht einfach zwei Bilder gemalt worden: von Beginn an haben sie in Beziehung zueinander gestanden. Zunächst wie Zwillinge sich gegenüberstehend  hat Käthe Loup sie im Wechsel bearbeitet, dabei hat jedes Bild eine eigene Entwicklung durchgemacht, die zunehmend differierte.
Ich habe die Bilder zwischendurch, in der Entstehungsphase angeschaut, da vermittelten sie den Eindruck, als wären sie zu unterschiedlichen Zeiten und unter verschiedenen Einflüssen entstanden.
Es hat sich also gezeigt, welche Vielfalt in einem Künstler tobt und welch intensiven Vorgang Käthe Loup durchgemacht hat, damit sich beide Gestalten gleichzeitig entfalten konnten.

 

Mit jedem Schritt entstand ein neues Verhältnis der Bilder zueinander. Wir können die Bilder deshalb einzeln nehmen und sie ebenso als Doppelwerk betrachten. Für uns besteht die Gelegenheit, die möglicherweise nicht wieder kommen wird, dass wir genau in dem Abstand, in dem die Bilder entstanden sind, den Raum dazwischen erfahren können, das Wechselspiel, die Zerrissenheit, den Zusammenklang, die Kontrapunkte.
Jeder Pinselstrich, der auf die Leinwand aufgetragen wurde, war ein feinsinniger Augenblick.
Käthe Loup musste hinsehen, musste ihr eigenes Werk erfahren, sich in einen Dialog mit dem stellen, was schon vorhanden war und was sie dem Bild als nächstes geben würde. Dahinter die Ungewissheit, wie der Schaffensprozess weiter verläuft und wohin er führen wird.


Man darf das nicht mit intuitiver Malerei verwechseln, den Käthe Loup wusste von Beginn an, wohin sie wollte, - ein Ziel, das noch keine genaue Form, aber einen Anspruch hatte.
Dieser Anspruch ist hoch, denn er bemisst sich nicht alleine an qualitativen Anforderungen,an der Gegenwartskunst entlehnten Wertmaßstäben, sondern insbesondere an ihr selber. Und mit jedem Fortkommen, mit jedem Pinselstrich ist ihre Ambition von Neuem gefordert gewesen. Bis zum Schluss konnte sie sich nicht sicher, ob das Kunstwerk gelingen wird oder nicht.


Es hat keine große Bedeutung für uns, wenn Käthe Loup sagt, eines der Bilder sei nicht fertig geworden. Fertiges wird gerne schnell konsumiert, die Gefahr, dass wir wesentliche Merkmale dieser Arbeit übersehen, wäre groß. Daher ist es heute für uns vielleicht eher ein Gewinn, eines der Bilder noch vor der Vollendung sehen zu können.


Ich muss zugeben, ich war erstaunt, welche Wandlung die Bilder, seit ich sie zwischendurch gesehen habe, durchgemacht haben. Es erinnert mich an eine gut erzählte Geschichte, bei der man nicht bei einem Motiv stehen bleibt, sondern eine weitere Wendung hineinbringt, eine neue Dimension eröffnet, die sich mit dem Bisherigen in Verbindung bringt und dem Werk jene Vielfalt gibt, die uns zum ständigen neu entdecken anregt.
Als ich den Auftrag, diese Rede zu halten, angenommen habe, wusste ich, dass ich auf eine gewisse Qualität vertrauen konnte, denn ich kenne nicht nur einige Arbeiten von Käthe Loup, ich weiß auch, welchen Maßstab sie an sich selber anlegt. Ich freue mich besonders, auch diesmal nicht enttäuscht worden zu sein.

 

 


Käthe Loup
Bildentstehungsprozesse
In : Werkdokumentation im Rahmen des Stipendienprogrammes des Landes NRW
Gefördert durch das Künstlerstipendium „Auf geht’s“  im Rahmen der NRW-Corona-Hilfen 2020
Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen  
     


Als Kunstschaffende sehen wir Dinge anders. Wir sehen sie mit anderen Augen und entdecken Aspekte, an denen andere oftmals vorbeischauen und/oder sich erst gar nicht damit beschäftigen.  

Für andere scheinbar Unerhebliches nehmen wir in den Fokus, entdecken Neues, neue Zusammenhänge oder auch Widersprüche, finden mitunter Rätselhaftes in und an den alltäglichen Dingen, die eine große Quelle für Inspiration und Auseinandersetzung auf ästhetischer Ebene bieten, entwickeln unsere Geschichten dazu.  
So wird beispielsweise eine Landschaft mitunter „anders" wahrgenommen : möglicherweise als Erlebnis von etwas vorbeiziehend Flüchtigem, das sich augenblicksschnell verändert oder auch als ein vielschichtiges Standbild mit unendlichen Höhen und Tiefen, komplexen Strukturen, durchkomponierten Farbflächen etc., das es wert ist, innezuhalten und aufzunehmen.
Sei es also diese Landschaft, in der wir uns bewegen oder ein Gesicht, das uns begegnet, sei es eine Momentaufnahme im urbanen Alltagsgeschehen, die Beschaffenheit und Sinnlichkeit eines Materials, das sich uns gerade neu offenbart….der andere Blick auf das Wesen und die Vielseitigkeit der uns umgebenden Dinge und den Nutzen des hieraus gewonnenen ästhetischen Wertes findet in unseren Kunstwerken einen höchst individuellen Ausdruck.
Was mich persönlich beim Malen am meisten fasziniert, ist der Bildentstehungsprozess selbst. Daher hatte ich das Bedürfnis, diesen einmal exemplarisch für eine Werkreihe festzuhalten, mich also eine Zeit lang selbst bei der Arbeit zu beobachten, indem ich Tag für Tag viele einzelne Bildphasen bis hin zur Fertigstellung dokumentiert habe.
Diese Dokumentation bebildert demnach den Entstehungsprozess der dreiteiligen Werkserie „Amnuscule“ I-III, 150 x 200 cm, Acryl auf Leinwand, im Zeitraum September bis Ende November 2020 in meinem Aachener Atelier in der Friedrichstrasse.
Meist beginne ich meine Arbeiten mit einer relativ diffusen Bild-Idee, einer ganz vagen Vorstellung in meinem Kopf. Nach Festlegung der Größe fängt sie bereits beim Zusammenbau der Rahmenleisten und Aufziehen des Tuches an, sich zu entwickeln. Der Bildgrund wird schwarz grundiert und die Leinwand liegt als freie Fläche plan und stark gespannt vor mir. Durch den folgenden Prozess des Aufbauens, dem Überlagern, Zerstören, Hervorholen und Freilegen  - über ich weiß nicht wie viele Schichten- entsteht die erwünschte Infrastruktur von Farbe und Textur und reagiert das innere Bild auf das äußere Tun.
Als größte Anstrengung während des Malens empfinde ich es, das Denken abzustellen bzw loszulassen. Das, was schon da ist, nicht kaputt zu denken und vor allem nicht zu viel zu wollen, einfach Geduld zu haben und auf diese merkwürdige Gesetzmäßigkeit zu vertrauen, dass sich das Bild dann am besten entwickelt.
Wann ist das Bild fertig? Wenn ich das Gefühl habe, dass alles gesagt ist und ich nichts mehr hinzuzufügen habe, wenn es klingt, mir eigenständig genug scheint, verbunden mit einer gewissen „poetischen Qualität“ und wenn ich es ohne Wenn und Aber den Blicken anderer aussetzen kann.
Käthe Loup